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Das Piratennest 
 
 
 
Das Piratennest
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I

Seine Intuition hatte ihn nicht betrogen. Die Unregelmäßigkeiten im Schwerkraftfeld, die Heckert im Orbit um den Asteroiden bemerkt hatte, waren wie vermutet die Ausläufer eines künstlichen Gravitationsfeldes, welches tief im Inneren einer angeblich längst stillgelegten Station betrieben wurde. Er hatte den Landebereich der Station vorsichtshalber nicht direkt angeflogen, sondern war davon einige Kilometer entfernt gelandet und hatte den Rest der Strecke vorsichtig mit einem raketenbetriebenen Raumanzug zurückgelegt. Wenn sich die Diebe tatsächlich in der Station aufhielten, würden die Andockbuchten bestimmt bewacht werden, ob sie nun abgeschaltet waren oder nicht. Er näherte sich dem Außenbereich der verlassenen Minenkolonie bis zu der Stelle, wo der Gebäudekomplex aus dem grauen, steinharten Boden zu wachsen schien, und suchte eine Schleuse, die man im Handbetrieb von außen öffnen konnte.

Heckers Gravimeter zeigte inzwischen eine Schwerkraft von 0,2 g, viel zu hoch für einen Asteroiden dieser Größe. Dieser Felsbrocken müsste schon aus reinem Blei bestehen, um eine solch starke Gravitation zu erzeugen. Außerdem nahm das Feld mit schrumpfender Entfernung zur Station so stark zu, dass es sich hierbei nur um ein künstliches Phänomen handeln konnte. Endlich fand er eine funktionstüchtige Außenschleuse und schloss die Kontakte der externen Stromversorgung mit einer Energiezelle, die er für diesem Zweck mitgebracht hatte, zusammen. Die Mühe, die Schleuse per Hand zu öffnen, muss ich mir nun wirklich nicht machen. Es reicht schon, dass ich dieses Versteckspiel mit diesen Spinnern spielen musste. Der Datenchip von Amdrine, den sie bei der Plünderung meines Schiffes mitgenommen haben, nützt ihnen sowieso nichts. Drei Wochen habe ich dafür gebraucht, um die Spur zum Versteck dieser Datenpiraten ausfindig zu machen, und der Konzern wird langsam ungeduldig.

Die Schleuse glitt langsam auf, ohne dass die Außenmikrofone seines Raumanzuges auch nur das leisestes Geräusch erfassen konnten. Wie auch, ohne Luft dort draußen? Er nahm die Energiezelle ab, aktivierte die Lampe an seinem Helm und schlüpfte in die Dunkelheit der Schleuse. Dort schloss er die Energiezelle an einem zweiten Kontakt wieder an, um die äußere Schleusentür zu schließen und die innere öffnen zu können. Verwundert stellte er fest, dass nach dem Schließen der äußeren Schleusentür das Rauschen einströmender Luft einen Druckausgleich bezeugte. Ist etwa die ganze Konstruktion noch mit Luft gefüllt? Vielleicht sogar mit atembarer Luft? Er überprüfte seine Anzeigen. Tatsächlich. Recht kühl, aber atembar. Ob sie ihre Heizkosten nicht bezahlen können? Er grinste und betrat den Komplex, sobald es der Spalt der sich öffnenden Innentür zuließ.

II

"Hast du inzwischen etwas herausgefunden, Katze?" Eine massive Gestalt beugte sich über den sitzenden Lengroah, während ihre Arme sich auf dessen Schultern stützten und das zerbrechlich wirkende Fremdwesen scheinbar zu Boden drücken wollten.

Rrhegar wich dem Druck von oben aus und glitt dabei seitlich von seinem Hocker, um sich neben dem stabil gebauten Menschen zu platzieren. Seine katzenartigen Augen musterten kurz den Hünen. Stafford muss heute seinen freundlichen Tag haben, wenn er mich nur Katze nennt. "Schdaworrd, ich würrde dich nach unserrem Schew als errsden benacchrrichdigen, würrde ich edwas winden," schnurrte er das Muskelpaket an.

"Hör auf mit diesem Süßholzraspelton, oder ich sorg' dafür, dass dir deine Freundlichkeit schlagartig vergeht."

"Verzeihung." Rrhegars Stimme wurde mit Einstellen des Schnurrens, was jeder andere Lengroah als Beleidigung empfunden hätte, wesentlich deutlicher verständlich.

"Der Chef schickt mich. Er wird langsam ungeduldig. Ihm bereitet der verschlüsselte Datenchip Kopfzerbrechen. Die Ladung des letzten Kurierschiffes gefällt ihm nicht. Zu viel konzernielles Zeug. Das gibt Schwierigkeiten, meint er."

Meine Güte, was für ein Monolog - für einen aus dem Tank Entschlüpften. Rrhegar unterdrückte Schnurren und Augenzwinkern für den Moment, und konzentrierte sich wieder darauf, die Menschensprache zu sprechen. "Sag bitte Argos, wenn er technische Details will, muss er schon selber kommen. Es sieht so aus, als ob wir einen Teil einer chiffrierten Nachricht abgefangen haben, die über mehrere Kanäle verteilt transportiert werden sollte. Ich habe das ebenfalls verschlüsselte Zugriffsprotokoll inzwischen teilweise dechiffrieren können."

"Du solltest besser schneller arbeiten. Sonst erlaubt mir der Chef noch, dir dein Fell über die Ohren zu ziehen und dir jede Kralle einzeln rauszureißen. Es wäre mir ein Vergnügen!" Stafford grinste böse.

"Dann geh bitte und sag unserem Chef, was ich dir gerade erzählt habe, damit ich endlich wieder an dem Chip weiterarbeiten kann."

Rrhegar ließ sich sein Unbehagen vorsichtshalber nicht anmerken. Stafford zu sagen, was dieser zu tun habe, war nicht immer die beste Lösung. Rrhegar war zwar ein paar Zentimeter größer als Stafford, aber er musste die schmerzhafte Erfahrung machen, dass dieser mit seinen mächtigen Fäusten, aber auch mit jeder anderen Waffe, gut umzugehen wusste. Hätte Rrhegar nicht seine eindrucksvolle natürliche Bewaffnung, welche dem Replikanten einen gewissen Respekt einflößte, hätte er mit seiner geradezu schmächtigen Statur keine Chance gegen den Muskelprotz. Für dieses Mal schien aber Staffords mentale Konditionierung nicht durchzudrehen, und er schickte sich wieder an, den Raum zu verlassen. "Beim nächsten Mal könnte es der Chef sein, der diesen Raum betritt. Argos wird weniger freundlich sein als ich jetzt."

Wie wahr. Die Dinge entwickelten sich nicht gerade zum Vorteil für Rrhegar. Nicht wenige Mitglieder der Bande konnten ihn nicht sonderlich leiden, und Stafford lebte nur aus, was viele insgeheim dachten. Sie vertrauten ihm einfach nicht, weil er bei jedem Anlass grundsätzlich nur die notwendigsten Informationen preisgab. Wenn sie wüssten... Zweimal hatte er einige von ihnen belauscht, wie sie eine Verschwörung gegen ihn zu planen schienen. Aber noch können sie sich den Bruch nicht leisten - noch bin ich für sie als Computertechniker unersetzlich.

Ich sollte meine taktische Position noch etwas ausbauen, damit ich, falls es ernst wird, noch eine Klaue auf ihrer Kehle habe. Sein Blick fiel auf den Chip. Noch wussten sie nicht, wie viel er vom Protokoll bereits entschlüsselt hatte. Wenn ich nun ... ja, das funktioniert. Und wenn ich damit fertig bin, gehe ich nach oben; ich muss mal wieder allein sein und brauche einen kühlen Kopf. Konzentriert begann er, am Datenchip weiterzuarbeiten.

III

Nach einigen Zwischenräumen, in denen früher Raumanzüge gelagert wurden, kam Heckert in eine stillgelegte Maschinenhalle. Die Gravitation nahm weiter zu, zog ihn aber seitlich nach unten, wodurch der ganze Komplex vollkommen schief zu sein schien. In relativer Nähe zur Außenschleuse war es am sinnvollsten, im Komplex nicht benötigte Ausrüstung abzulegen und zu verstecken. Trotz der noch niedrigen Schwerkraft war eine Kletterpartie in voller Montur auf dem geneigten Fußboden gefährlich, und er konnte es sich außerdem nicht leisten, bei einem möglichen Feuergefecht Löcher in den Raumanzug zu bekommen. Aus seinem Gepäck nahm er seine Plasmapistole, die kleine Tasche mit dem Einbruchswerkzeug sowie eine kleine Handleuchte, um in den stockdunklen Gängen etwas sehen zu können. Nicht einmal eine Infrarot- oder Restlichtverstärkerbrille kann mir hier helfen, obwohl... Heckert nahm die Infrarotbrille ebenfalls mit, den Rest seiner Ausrüstung versteckte er unter einer gigantischen Machine, welche wohl der Zerkleinerung von Erzgestein gedient haben mochte und die Umgebung mit einer Schicht aus feinem hellgrauen Steinstaub einhüllte. Mit dem Scanner aus der Tasche suchte Heckert nach elektromagnetischen Feldern, fand aber nichts. Wahrscheinlich bin ich noch zu weit von ihrem Lager entfernt, um auf Überwachungssensoren zu stoßen. Die Gegend hier hat nicht einmal Energie! Ich muss erst einmal versuchen, ins Zentrum der Station zu kommen. Er sprang und schlitterte auf dem schiefen Boden nach "unten" und versuchte dabei ziemlich erfolglos, auf dem staubigen Boden so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen.

Je mehr Heckert sich der Mitte der Station näherte, desto waagerechter schien die Kolonie zu werden, da das künstliche Gravitationsfeld immer stärker die gewohnten Eigenschaften annahm. Er war zunächst in einen der Industriebereiche der Station eingedrungen, wo die gewonnenen Erze der Station aufbereitet worden waren. Er streifte die angrenzenden Lagerhallen und umging die Andockbuchten und Hangars, von denen er befürchtete, dass diese bewacht würden. In der Mitte der Station, wo die Schächte zu den Erzminen ins Innere des Asteroiden führten und wo sich auch die Lifte und Treppenhäuser für die tieferen Ebenen der Station befanden, suchte er wieder vorsichtig nach verräterischen Feldern. Immer noch nichts - sie müssen sich ja ziemlich sicher sein, dass hier niemand eindringt. Das macht die Sache einfacher. Durch die fehlende Energie auf dieser Ebene war er gezwungen worden, einige geschlossene Schleusen und Sicherheitstüren per Hand zu öffnen oder mit seinem Werkzeug aufzubrechen, was ihm den Schweiß auf die Stirn trieb. Er entschloss sich zu einer kleinen Pause, um danach mit dem Abstieg in die tieferen Ebenen zu beginnen, wo sich die Datenpiraten einquartiert haben mussten.

Das Treppenhaus nach unten und die momentan deaktivierten Lifte trugen Gebrauchsspuren jüngeren Datums und schienen wohl häufiger in Gebrauch zu sein. Eine weitere Möglichkeit nach unten zu gelangen bestand jedoch in einem Steigschacht, einer Konstruktion, die sich auf Asteroiden mit geringer Schwerkraft besonderer Beliebtheit erfreute. Der Schacht wurde dabei vom künstlichen Gravitationsfeld abgeschirmt, und man konnte sich sanft fallen lassen oder mit einem kleinen Absprung die notwendigen Stockwerke schnell unter sich lassen. Aber auch dieser Schacht hatte keine Energie und damit keine Abschirmung vor dem inzwischen recht starken künstlichen Schwerkraftsfeld, was die Benutzung des Schachts gefährlich machte. Aus Sicherheitsgründen war für solche Fälle eine zusätzliche Steigleiter an einer Schachtwand befestigt, die Heckert für den riskanten Abstieg nutzen konnte.

Nachdem er zwölf Etagen hinter sich gelassen hatte, kam er endlich in eine Ebene, deren Energiesysteme aktiviert waren. Er überprüfte kurz sein Gravimeter. Exakt 1g - Hier sind also die Etagen mit dem künstlichen Gravitationsfeld. Jetzt wird es interessant. Die Sicherheitstür vor ihm war geschlossen, wurde aber mit Energie versorgt. Eine Zeit lang versuchte er, hinter der Tür verräterische Geräusche ausfindig zu machen, hörte aber nichts. Heckert öffnete sie Tür einen Spalt breit, lugte hindurch und sah einen beleuchteten, breiten Korridor, der ähnlich gebaut war wie in der obersten Etage. Neben den Zugängen zu verschiedenen Personenaufzügen, den beiden Steigschächten und dem Treppenhaus befand sich am Ende des Korridors der Zugang zum zentralen Lastenaufzug. Als er weder Personen sehen noch aktive Überwachungssysteme orten konnte, schlüpfte er in den Korridor und schloss die Tür hinter sich zu, um Aufsehen zu vermeiden.

Direkt neben der Sicherheitstür zum Treppenhaus befand sich ein funktionsfähiges Computerterminal. Heckert ging hin und überlegte sich, ob er versuchen sollte, sich zwecks Informationen in die Systeme der Station einzuhacken. Ein leichter Luftzug durch die halb offen stehende Tür zum Treppenhaus streifte sein Gesicht. Ich könnte Informationen über die Station und den Aufenthaltsort ihrer Einwohner dringend gebrauchen. Zu dumm, dass Grace nicht hierauf zugreifen kann, und ohne sie würde ich wohl bei meiner Unkenntnis schnell bemerkt werden. Plötzlich hörte er Schritte im Gang. Heckert huschte ins Treppenhaus, zückte seine PTP 06/40 und hoffte insbrünstig, dass die Lüftungssysteme im Gang sein Herzklopfen und seinen schweren Atem übertönten. Die Person näherte sich weiter, und zu den Schritten gesellte sich das tiefe Summen eines Elektroladers hinzu. Als die Person auf einer Höhe mit dem Treppenhaus war, hielt Heckert den Atem an. Die Person ging weiter in Richtung Lastenaufzug, um am Ende des Ganges stehenzubleiben und dort außerhalb Heckerts Wahrnehmung irgendetwas zu machen. Heckert schlich vorsichtig wieder zurück in den Gang, seine Plasmapistole in der Hand.

Die Person stand unmittelbar vor dem Lastenaufzug und bediente die Kontrollkonsole, als wollte sie den Aufzug für einen Transport aktivieren. Heckerts Vermutung wurde durch den schweren Elektrolader, der hinter ihr auf seinen kleinen Rädern stand und mehrere Kisten transportierte, noch bekräftigt. Er schlich von hinten an die Person heran, bis er etwa drei Meter von ihr entfernt war. Die Gestalt war etwa einen halben Kopf kleiner als er und besaß kurze, dunkle Haare. Die stabile Kleidung aus Lederimitat hinderte Heckert daran, die Statur seines Gegners herauszufinden. Zumindest trägt der Typ keine schwere Waffe. Heckert zielte mit der Waffe auf den Menschen und entsicherte die Pistole. Mit dem Zischen, das durch das Erhitzen des Gases im Inneren der Waffe entstand, sagte er: "Hände weg von der Konsole und schön langsam umdrehen!"

Die Person zuckte zunächst vor Schreck zusammen, erholte sich aber schnell. Sie drehte sich um. Heckert erschrak: Der Typ ist ja eine Frau! "O Mann, Leute! Was soll der ...", sagte die Frau sichtlich genervt, bis sie der Blick in die großkalibrige Öffnung der Plasmapistole verstummen ließ. Beide schauten sich zunächst überrascht an. "... Scheiß," flüsterte sie. Als die Frau Luft holen wollte, riss Heckert die Pistole hoch und zielte ihr direkt ins Gesicht.

"Schrei und es wird das Letzte sein, was Du jemals getan hast." Er musste die Frau unbedingt vom Lader und den Kisten wegbringen, welche zum Einen eine viel zu gute Deckung waren und zum Anderen die eine oder andere unangenehme Überraschung bergen konnten. "Und jetzt die Hände hoch und langsam auf mich zukommen. Stell dich dort vor die Wand!" wies er die Frau an, die seinen Anweisungen entsprechend mit erhobenen Händen langsam hinter dem Elektrolader hervorkam. Heckert hielt den Abstand bei, indem er sich im gleichen Tempo rückwärts bewegte, bis die Frau mit dem Gesicht zur Wand stand.

Während er sie nach Waffen untersuchte, fragte sie ihn: "Wer sind Sie?"

"Ich stelle hier die Fragen. Wie viele seid ihr hier unten?" Trotz der Suche nach Waffen achtete Heckert immer argwöhnisch auf den Gang, aus dem die Frau gekommen war, doch momentan ließ sich dort niemand blicken.

"Wir sind insgesamt vierzehn. Bringen Sie mich jetzt um?"

Heckert unterdrückte ein Schlucken. Das ist ja eine richtig schöne Räuberbande. Heckert fand eine Betäubungspistole und ein Messer unter der offenen Jacke versteckt, nahm ihr beides ab und legte ihre Waffen beiseite. "Hör zu, Kleine: Wenn du artig bist, wird dir nichts passieren, und deine Freunde werden dich hier früher oder später finden. Falls du mir aber Ärger machst, endest du mit einem hässlichen Brandfleck. Ist das klar?" Heckert drückte ihr die Mündung der PTP in den Rücken. Sie nickte vorsichtig, Kooperationsbereitschaft signalisierend.

"Gut. Nimm jetzt deine Hände nach hinten." Die Frau tat wie befohlen. Heckert nahm aus seiner Tasche einen Kabelbinder, um damit die Hände seiner Gefangenen zu fesseln. Dazu musste er seine Waffe in die linke Hand nehmen. Hoffentlich macht sie keine Dummheiten. Er begann, ihr eine Schlaufe um die Handgelenke zu binden.

Plötzlich verspürte er einen leichten Druck auf seinem Hals in direkter Nähe zur Halsschlagader und eine Stimme schnurrte ihm ins rechte Ohr: "Und nun bist du bitte arrtig, ja?". Heckert erstarrte vor Schreck. Verdammt, ein Lengroah! Wo kommt dieser verdammte Schnurrer her?

Aber Heckert hatte keine Zeit für weitere Überlegungen. Er fühlte die mit Fell bedeckten Hände sowohl auf seinem Hals als auch auf seinem linken Arm, wo er die Waffe hielt. Er wusste, dass der Lengroah ihm bei einer falschen Bewegung die Halsschlagader mit genau den rasiermesserscharfen Krallen aufschlitzen konnte, die er vorhin bereits am Hals gespürt hatte.

"Sei so frreundlich und nimm die Waffe herrunterr, sonst verletzt du noch jemanden. Gib sie mirr bitte," hörte er die Katze hinter sich. In der Stimme lag trotz der Situation immer noch der Hauch eines Schnurrens. Die Verzweiflung wuchs in Heckert. Sei so freundlich, bitte gib mir die Waffe, ha! Ich frage mich, ob diese Schnurrer selbst dann freundlich sind, wenn sie einen in Stücke reißen. Er senkte den Arm langsam und fühlte, wie ihm die krallenbewehrte Hand seine Waffe abnahm und diese fortschleuderte.

"Danke. Jessica, Du kannst dich jetzt umdrrehen. Und was dich betrrifft, mein unbehaarrterr Frreund," wandte sich der Lengroah wieder zu Heckert, "so tut mirr das jetzt Folgende unendlich leid." Heckerts Herz raste. Unendlich leid? Was hat er vor?? Wie in Zeitlupe schien sich die Hand des Lengroah an seinem Hals zu lösen, doch dann verspürte Heckert einen schnell anwachsenden Schmerz im Kopf, als ob dieser explodieren wollte. Dunkelheit senkte sich über seinen Geist, als sein Bewusstsein die Qualen nicht länger ertragen konnte.

IV

Schmerz. Unerträglicher, pochender, alles benebelnder Schmerz. Das war es, was Heckert in seinem Kopf verspürte, als er wieder aufwachte. Er stöhnte laut auf, als er es wagte, seine Augenlider auch nur einen Spalt weit zu öffnen. Das einströmende Licht schien wie Feuer auf seiner Netzhaut zu brennen und jeden noch so versteckten Bereich seines Gehirns mit Nadelstichen zu foltern. Eilig schloss Heckert wieder seine Lider und hielt sich schützend die Hände vor die Augen.

"Licht dämpfen." sprach eine Stimme. Kurz darauf verspürte Heckert, wie ein Handschuh seinen Hals betastete und wie ihm anschließend an der gleichen Stelle mit einer Hochdruckspritze ein Mittel injiziert wurde. Wenige Sekunden später nahm sein Schmerz langsam aber stetig ab, und er traute sich ein zweites Mal, seine Augen zu öffnen.

Heckert fand sich auf einer Bahre liegend in einem kleinen, kahlen Raum wieder. Die Metalltür sah stabil aus und war verschlossen oder gar verriegelt, und außer der Bahre befanden sich im Raum an Möbeln lediglich ein Stuhl und ein Tisch. Neben dem Stuhl stehend konnte Heckert eine Person erkennen. Das Licht im Zimmer war gedämpft, und er konnte nur verschwommen sehen. Heckert blinzelte, aber seine Sicht wurde nicht besser. Dafür erholte sich sein Gehör, und er konnte ein Geräusch wahrnehmen, dass ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Schnurren! Heckert stöhnte auf. Dieser gottverdammte Schnurrer muss da am Tisch stehen! Will er mir jetzt den Rest geben?

Aber die Person schien momentan diesbezüglich keine Anstalten machen zu wollen. Sie wartete einfach ab und schnurrte Heckert weiter freundlich an. Dessen Sicht wurde langsam besser. Schließlich konnte er erkennen, wie die weit geöffneten Pupillen des Lengroah jede seiner Bewegungen aufzunehmen schienen. Mühsam richtete sich Heckert auf seiner Liege auf und setzte sich hin, seine Schläfen massierend. Der Lengroah zog daraufhin seine schwarzen Handschuhe aus und entblößte so seine Krallen, bewegte sich aber nicht zur Liege.

"Dusoldes nochedwas wahrrden, bisdas midl seine wirrgung wohl endwahlden gan." schnurrte der Lengroah undeutlich.

"Wie bitte?" Heckert schaute den Lengroah verständnislos an. Dieser zögerte kurz und schien sein Schnurren unterdrücken zu wollen. Dabei wippte der Schwanz der Katze unruhig hin und her. Schließlich bekam er sich unter Kontrolle.

"Ich sagte, du solltest besser noch etwas warten, bis das Mittel, das ich dir vorhin injiziert habe, seine Wirkung voll entfaltet hat. Es ist eine schmerzmildernde Arznei. Es tut mir außerordentlich leid, was ich gestern mit dir machen musste, aber ich durfte kein Risiko eingehen."

"Was habt ihr eigentlich mit mir gemacht? Und wieso gestern? Wie lange war ich bewusstlos?"

"Knapp zwanzig Stunden. Das, was du jetzt noch spürst, sind die Nachwirkungen eines aufgesetzten Betäubungsschusses direkt auf deinen Kopf. Um genau zu sein, von doppelter Intensität." Der Lengroah schaute betreten und offensichtlich verlegen zum Boden.

Heckert nahm sich die Zeit, den Lengroah genauer zu mustern. Er muss gut zehn Zentimeter größer sein als ich. Erstaunlich, wie schlank diese Rasse ist. Der Lengroah trug ausgesprochen kurze Kleidung, sodass Heckert an den Armen und Beinen des Wesens dessen dichtes, goldbraunes Fell erkennen konnte. Die katzenhaften Füße steckten in Stiefeln, welche allerdings in Zehenhöhe senkrechte Schlitze aufwiesen. Ich möchte mir lieber nicht ausmalen, was aus diesen Schlitzen hervorkommen kann. Unweigerlich fiel sein Blick auf die Furcht erregenden, schwarzen Klauen an den Händen des Lengroah. Heckert fühlte sich ausgesprochen unwohl bei dem Gedanken, dass diese Krallen bei der ersten Begegnung auf seinem Hals gelegen hatten. Er schaute sich den Kopf an. Der Lengroah besaß eine prächtige dunkelbraune, im momentanen Licht fast schwarze Mähne, deren lange Haare auf dem Rücken bis zur Hüfte des Wesens reichten. Das Gesicht hatte enorme Ähnlichkeiten mit dem eines irdischen Löwen. Heckert war froh, dass selbst beim Sprechen das Gebiss des Lengroah so gut wie nie sichtbar wurde. Wenn es zur restlichen körperlichen Bewaffnung passt, muss es tödlich sein. Ohne Waffe und mit meinem momentanen Kopf bin ich diesem verdammten Schnurrer hoffnungslos unterlegen. Ich habe so eine dunkle Ahnung, warum gerade er mit mir hier in der Zelle sitzt...

Der Lengroah schaute auf die Uhr seines Armbandkommunikators und murmelte etwas. Dann wandte er sich Heckert zu: "Du hast bestimmt schon erraten, dass ich hier in deiner Zelle nicht zum Vergnügen sitze. Irgendjemand muss dir ein paar Fragen stellen, und bei mir kannst du nicht versuchen, mir meine Waffen wegzunehmen." Er blinzelte mit den Augen, und fixierte dann mit seinem Blick Heckert wie eine potenzielle Beute. "Deine Unversehrtheit ist dir doch etwas wert, du willst doch sicher nicht versuchen, mich anzugreifen, ja?" Heckert nickte zustimmend, obwohl das sofort seine Kopfschmerzen auf den Plan rief. Trotzdem hätte er in seiner momentanen Verfassung alles getan, damit sich diese lebende Messersammlung nicht noch einmal seinem Hals näherte.

"Nun gut. Fangen wir mit den Fragen an. Wie heißt du, wer bist du und warum bist du hier?"

"Mein Name ist Patrick Heckert und ich bin Nachrichtenhändler. Ihr habt meine letzte Lieferung gestohlen, als mein Kurierschiff auf der Kolonie Karnyansk zu Wartungsarbeiten im Dock stand. Ich bin gekommen, um mir die Lieferung zurückzuholen."

"Für einen Haufen privater Briefe von Konzernangestellten und das bisschen interstellarer Geschäftskommunikation niedrigster Stufe würde sich wohl kaum jemand so viel Mühe machen. Wie viele seid ihr hier, und was ist an der Lieferung so wichtig?"

"Ich bin alleine hier unten. In der Lieferung befand sich außerdem ein holographischer Datenchip mit geheimen Daten, für dessen Verlust ich dem Konzern 25 Millionen Elcut Strafe zahlen müsste. Ich müsste mein Schiff, die STERNENTÄNZERIN, verpfänden, um auch nur ansatzweise an diese Summe zu kommen." Verdammt, wieso bin ich eigentlich so redselig und ehrlich? Hoffentlich kommt er nicht auf mein Schiff zu sprechen...

Als der Lengroah die Summe hörte, wurde sein Gesichtsausdruck wesentlich interessierter. "Ich dachte mir schon fast, dass es um den Chip geht. Welcher Firma gehört der Chip, und an wen sollte der Chip geliefert werden?"

Heckert versuchte, die Antwort zu unterdrücken. "Nun?", fragte die Katze nach. Heckert stemmte seine gesamte Willenskraft gegen die Versuchung, seine Auftraggeber auszuplaudern. Die Frage, die immer noch offen im Raum stand, schien regelrecht von ihm einzufordern, wahrheitsgemäß beantwortet zu werden. Die haben mir eine Droge injiziert! Konzentriere Dich! Du darfst denen nicht alles preisgeben!

Der Lengroah fing wieder leicht an zu schnurren "Verrtrrau mirr, du machst es sonst nurr schlimmerr. Rrede nurr, ich werrde dirr keinen Schaden zufügen. Es wirrd nur zu deinem Vorrteil sein, wenn du es mirr sagst," beeinflusste er ihn mit zuckersüßer Stimme und dem liebenswürdigsten Gesichtsausdruck, zu dem die Katze fähig war. Heckerts mentale Verteidigung brach Stück für Stück zusammen, bis er sich willenlos der Macht der Droge vollkommen ergeben musste.

"Der Datenchip ist zwar unter den Konzernunterlagen von Tsushida versteckt worden, stammt aber in Wirklichkeit von Amdrine. Angeblich enthält er verschlüsselte Forschungsdaten, soll aber als Einzelstück vollkommen wertlos sein. Ich habe das nicht nachgeprüft."

"Letzteres stimmt soweit," unterbrach ihn die Katze und sprach dabei in den Armbandkommunikator, der schon die gesamte Zeit zu laufen schien. "Ich habe die Zugriffsprotokolle auf dem Datenchip entschlüsseln können. Die Daten sind mit einer perfekten Chiffre versehen und wurden auf insgesamt sechs Chips verteilt. Erst wenn man mindestens vier davon besitzt, kann man die Daten restaurieren. Für sich betrachtet ist jeder einzelne Chip Datenmüll und unbrauchbar."

Der Lengroah wandte sich wieder an Heckert: "Bleibt noch die Frage offen, an wen Du den Chip weiterreichen solltest."

"Ich sollte mit dem Datenchip zur Venus auf Floating Hawaii fliegen. Dort sollte ich im Handelssystem eine Mitfluggelegenheit für vier Personen nach Hades anbieten. Auf diese Anzeige hin sollte sich ein lokaler Vertreter des Konzerns bei mir melden. Diese würde die Daten in Empfang nehmen und mir die Prämie auszahlen."

"Schön. Ich werde Dich beruhigen können: Die 25 Millionen wegen Verlust des Chips wirst Du wahrscheinlich nicht zahlen müssen - lediglich die paar Millionen, die wir bei Amdrine einfordern werden." Er zwinkerte wieder mit den Augen, aber Heckert konnte darüber nicht lachen. "Kommen wir jetzt zu deinem Schiff." Verdammt! "Ich nehme an, es befindet sich irgendwo im Asteroidengürtel dieses Systems versteckt, richtig?"

Heckert konzentrierte sich vollkommen darauf, sich nicht zu verplappern. So, wie der Lengroah seine Frage gestellt hatte, war dies ein Geschenk des Himmels. Wenn sie wüssten, dass das Schiff noch auf diesem Asteroiden steht... "Vollkommen korrekt," antwortete er.

"Na schön, ich nehme an, das Schiff dürfte gut genug versteckt sein, dass wir wohl Wochen brauchen würden, um es zu finden." Keine Frage, puh. Die Droge zwingt mich nur, Fragen zu beantworten. "Befinden sich auf dem Schiff noch andere Personen, oder ist das Computersystem in der Lage, das Schiff selbständig zu steuern?"

"Mein Agentensystem kann das Schiff in begrenztem Maße eigenhändig steuern. Andere Personen befinden sich nicht an Bord."

"Wie kannst du von deinem Schiff wieder von diesem Asteroiden abgeholt werden?"

"Ich hatte ein Zeitfenster eingestellt, in dem ich hätte melden müssen. Wenn ich wirklich zwanzig Stunden bewusstlos war, hat sich dieses Fenster vor sechs Stunden geschlossen. Das Schiff dürfte daher gewarnt sein." Bitte, lasst ihn nicht fragen, was die Alternative ist, falls die Kontaktaufnahme im Zeitfenster so wie jetzt gescheitert ist.

"Pech für dich," sagte die Katze mit betont gespieltem Mitleid. "Danke, dass du so kooperativ warst," fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Dann sprach er wieder in den Kommunikator: "Ich bin jetzt fertig, und ich glaube, dass wir alle notwendigen Informationen haben. Ihr könnt mich jetzt herauslassen. Argos?"

Stattdessen tönte es aus dem Lautsprecher des Armbands: "Argos hier. Du bleibst noch drin und passt noch solange auf den Gefangenen auf, bis wir die Station geräumt haben. Ich will nicht, dass er uns Ärger macht, während wir hier mit Packen beschäftigt sind. Wir beeilen uns, vor allem da inzwischen bestimmt die Behörden durch sein Schiff alarmiert worden sind."

Der Lengroah seufzte. "Na gut, ich bleibe noch solange hier. Er wird mich schon nicht beißen." Der Lengroah schaltete den Kommunikator ab und wandte sich wieder an Heckert: "Tja, Heckert, es sieht so aus, als ob du meine Gegenwart noch etwas ertragen müsstest. Du wirst es sicherlich schon festgestellt haben, dass du noch unter der Wirkung einer nicht ganz legalen Verhörsdroge stehst. Aber keine Bange, die Wirkung wird bald nachlassen. Und wo wir schon so schön zusammen sind und es sonst unhöflich wäre: Mein Name lautet Rrhegar."

Heckert fiel auf, dass sich der Lengroah während des gesamten Verhörs von seiner Stelle nicht gerührt hatte und sich bestenfalls mal am Tisch angelehnt hatte. Jetzt ging er merkwürdig steif zur Tür, überprüfte, ob sie abgeschlossen war, und ging langsam zurück. "Du siehst, momentan sitzen wir beide hier drin fest."

"Was habt ihr mit mir vor? Und wieso verlasst ihr die Station?"

"Unser Chef Argos hatte schon befürchtet, dass uns eventuell einige Konzernleute wegen der gestohlenen Daten aus deinem Schiff auf den Fersen sind. Deshalb wollte er in absehbarer Zeit diese Station räumen und ein anderes Versteck aufsuchen. Deine Ankunft hier hat alles etwas beschleunigt, obwohl wir ehrlich gesagt nicht mit Privatpersonen gerechnet haben."

"Und was wird jetzt aus mir?"

"Eigentlich wollten die Anderen dich ins Vakuum werfen, aber ich konnte sie davon überzeugen, dass wir dich hier auf der Kolonie einfach sitzen lassen. In ein paar Tagen wird ein Rotkreuzschiff kommen, welches die anonyme Botschaft erhalten hat, dass du hier festsitzt. Die andere Methode hätte ich als nicht fair dir gegenüber empfunden, wo du doch so vernünftig bei der Gefangennahme warst." Rrhegar zwinkerte wieder.

Eigentlich traute Heckert dem Lengroah nicht im Geringsten. Falls es aber wahr sein sollte, was der Schnurrer mir gesagt hat, hat er mir mein Leben gerettet. Was würde es ihm bringen, zu lügen? Da er wohl noch ein paar Stunden mit der Katze im gleichen Raum verbringen musste, hielt er es für besser, auf gut Freund zu machen. "Regar?"

"Rrhegar," berichtigte ihn der Lengroah, "du musst das R schneller rollen und stimmlos sprechen. Was ist?"

"Danke."

"Sieh es einfach als einen Gefallen an. Wer weiß, vielleicht trifft man sich unter besseren Umständen irgendwann wieder?"

"Vielleicht," antwortete Heckert. Da aber beiden die Lust auf weitere Gespräche vorübergehend vergangen war, warteten sie schweigend darauf, dass ihre Lage sich ändern würde.

V

Nach ein paar Stunden, die Heckert wie eine Ewigkeit vorkamen, ging auf einmal das Licht aus, die Lüftung des Raumes blieb stehen, und er fühlte, wie sich das Gravitationsfeld abbaute. Der Lengroah, der sich zu diesen Moment an einer Wand lehnte, sprang hektisch in Verteidigungsstellung und stöhnte dabei mit einem leichten Maunzen kurz auf. Das dumpfe Grollen, dass danach aus seiner Kehle kam und nicht mehr im Geringsten an ein Schnurren erinnerte, tönte in die Dunkelheit des Raumes und sorgte dafür, dass Heckert, der ebenfalls vom Stuhl aufgesprungen war, vorsichtshalber den Tisch zwischen sich und Rrhegar brachte. Die schnell schwindende Schwerkraft erleichterte sein Manöver nicht gerade. Heckert starrte in die Dunkelheit und versuchte erfolglos, die Schemen seines Gegners auszumachen.

Doch dieser schien momentan mit etwas anderem beschäftigt zu sein. Rrhegar schaltete die Anzeige seines Armbandkommunikators ein, welche zu schwach war, um den Raum zu erleuchten. Trotzdem konnte Heckert im schwachen grünen Licht zumindest einige Konturen erkennen. Der Lengroah aktivierte indes eine Komverbindung zu seinen Leuten außerhalb der Zelle.

"Rrhegar hier. Hört mich jemand? Was ist da draußen los?"

Eine Stimme meldete sich aus dem Kommunikator. "Nein wie süß, das Fellknäuel meldet sich! Stafford hier. Wir verlassen jetzt die Station. Die Energieversorgung haben wir gerade abgeschaltet, und die Lebenserhaltung der Kolonie wird innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zusammenbrechen."

"Wollt ihr mich hier sitzenlassen oder was?"

"Hast Du immer noch nicht begriffen? Argos hat deine ständigen Herumschnüffeleien in der Gruppe satt. Glaubst Du etwa, er hätte das nicht bemerkt, du Idiot? Ich hätte lieber einen Pelzmantel aus dir gemacht, aber Argos will es so. Er meint, es wäre ein passendes Ende für so einen Schwächling wie dich. Na ja, in der Zelle wird euch wohl nicht viel Luft zum Überleben bleiben. Vielleicht teilt dein neuer Freund ja mit dir die Atemluft, wenn du ihn freundlich bittest!"

"Warte! Was ist - Stafford?" Der kurze Piepton zeugte davon, dass das Gespräch beendet worden war. Rrhegar war überrascht, dass die Bande mit ihm so schnell und so früh gebrochen hatte - erwartet hatte er es eigentlich nicht. Zum Glück hatte er einige Vorkehrungen getroffen. Erwartungsvoll, aber vollkommen stumm schaute er Heckert an, der die ganze Szene mitverfolgt hatte. Lediglich sein Schwanz zitterte vor Erregung, was Rrhegar aber im fast vollständigen Dunkel des Raumes gut verbergen konnte.

Heckert wusste immer noch nicht so recht, wie er das gerade Gehörte einzuordnen hatte. Das leichte Donnern in der ansonsten vollständigen Stille zeugte davon, wie gerade mehrere Etagen über ihnen das Schiff der Datenräuber die Station verließ. "Sieht wohl so aus, als ob dich gerade deine Freunde verlassen haben", sagte er nicht frei von Schadenfreude, trotz der hoffnungslosen Lage. So, jetzt darfst du dich auch mal so fühlen wie ich. Die Schwerkraft hatte sich inzwischen auf den natürlichen Wert abgebaut, der bei dem Asteroiden bei fast Null lag.

Seltsamerweise sah der Lengroah nicht so aus, als ob er in Panik verfallen oder Apathie versinken wollte. Stattdessen fragte er Heckert: "Kommen wir noch einmal zu deinem Schiff. Auch wenn das Zeitfenster schon geschlossen ist, wird du doch bestimmt eine zweite Alternative haben, um wieder auf dein Schiff zu kommen, oder?"

Er hatte also daran gedacht. Warum hat er nicht nachgefragt? "Leider sieht diese Alternative nicht vor, mich aus einem verschlossenen Raum mehrere Ebenen tief innerhalb einer Station abzuholen."

"Lass das meine Sorge sein. Es gibt also eine Möglichkeit?"

"Sicherlich, aber du hast doch gar kein Werkzeug, um die Tür zu öffnen. Oder willst du dich etwa durchkratzen?"

"Sehr witzig. Du hast Recht, sie haben mir alle Waffen und Werkzeuge abgenommen, die sie finden konnten, bevor ich die Zelle betreten durfte. Aber ich schlage dir ein Geschäft vor: Ich sorge dafür, dass wir hier herauskommen und wieder etwas Energie haben. Als Gegenleistung lässt du mich hier nicht sitzen und nimmst mich auf deinem Schiff mit. Abgemacht?"

Ich soll den Schnurrer auf mein Schiff lassen? Bin ich wahnsinnig? Aber ich habe keine Wahl, ich muss aus dieser Zelle heraus. Wenn ich doch nur wüsste, wie er die Tür öffnen will... Vielleicht kann ich ihn ja später hintergehen. "Na gut, abgemacht. Dann öffne mal die Tür. Ich bin gespannt wie du das anstellen willst."

"Du musst dich dafür umdrehen, und egal was du hören wirst, du drehst dich erst dann wieder um, wenn ich es dir sage. Verstanden?"

"Was soll das denn schon wieder?", fragte Heckert, vom Getue des Lengroah inzwischen sichtlich genervt. Er konnte im schwachen Licht der Kommunikatoranzeige sowieso so gut wie nichts erkennen.

"Mach es einfach. Ich bestehe darauf. Jetzt dreh mir bitte den Rücken zu." Heckert drehte sich widerwillig und argwöhnisch um, bis er nur noch seinen Schatten sehen konnte. Zuerst verschwand das restliche Licht im Raum, und Heckert stand in vollkommener Dunkelheit. Und dafür sollte ich mich jetzt umdrehen? Er vernahm ein Rascheln wie von Stoff, danach kam für eine kurze Zeit lang gar nichts. Schließlich hörte Heckert vom Lengroah mehrfach ein unterdrücktes, schmerzhaftes Stöhnen und überlegte, ob er sich nicht doch umdrehen sollte. Aber egal was ich höre, ich soll abwarten, bis ich mich umdrehen darf. Anschließend vernahm er wieder dieses seltsame Rascheln, und zuletzt reaktivierte der Lengroah die Anzeige seines Kommunikators, und ein schwacher Lichtschein erfüllte wieder den Raum. Die ganze Prozedur mochte eine oder zwei Minuten gedauert haben. "Du kannst dich jetzt wieder umdrehen," hörte Heckert den Lengroah sagen. Als er dies tat, sah er, wie Rrhegar einen metallenen, schmalen zylinderförmigen Gegenstand an einer Decke seiner ehemaligen Liege abwischte.

"Ein Handschweißlaser! Ich glaube das nicht! Wo um alles in der Welt hast du den her?", fragte Heckert fassungslos, dem jetzt klar wurde, wie oder besser womit der Lengroah die Tür öffnen wollte. Doch Rrhegar ging auf die Frage nicht ein und machte sich wortlos an die Arbeit, die Verriegelungen aus der Tür zu schweißen. Heckert betrachtete ihn dabei eine Zeit lang und ging dann zur Liege. Die Decke wies einige Flecken an der Stelle auf, wo Rrhegar sie benutzt hatte. Als Heckert mehr per Zufall als mit Absicht daran roch, beschlich ihn eine furchtbare Ahnung, wo der Lengroah das Werkzeug versteckt hatte...

Kurze Zeit später hatte Rrhegar bereits zwei der drei Verriegelungen aufgebrochen. Heckert, der dabei nur zusehen konnte, fragte ihn: "Rregar, wie kommt es eigentlich, dass du den Schweißbrenner - du weißt schon, überhaupt mithattest? Wusstest du, dass sie dich sitzenlassen?"

"Rrhegar, nicht Rregar. Ich wusste, dass einige mich nicht leiden konnten und deswegen etwas geplant hatten. Argos, der Chef der Bande, hatte sogar mit einigen bereits beschlossen, mich irgendwann loszuwerden. Ich hielt es für sinnvoll, einige Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, auch wenn mich ihre Spontanität etwas überrascht hat. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass sie mich für ihre Schiffssysteme noch einige Zeit brauchen würden. Hätte ich gewusst, dass sie mich so schnell loswerden wollten, hätte ich noch ganz andere Dinge als persönliche Absicherung gemacht."

"Wie geht es weiter, wenn die Tür erst offen ist? Wir werden den Fusionsreaktor wohl kaum wieder hochfahren können!"

"Ich habe vor einiger Zeit einige Notakkumulatoren der Station aufgeladen, wovon der Rest der Bande nichts gewusst haben dürfte. Wenn ich sie aktiviere, sollte das reichen, um zumindest für ein paar Stunden die Notbeleuchtung, Luftaufbereitung und zu einem geringen Maße die Heizung und Schwerkrafterzeugung in zwei oder drei Ebenen zu aktivieren sowie mit dem Stationsfunkgerät einen Unterlichtfunkspruch abzugeben. Dein Raumschiff befindet sich doch hoffentlich in der Nähe, oder?"

"Die STERNENTÄNZERIN steht in einem Krater versteckt auf diesem Asteroiden," grinste Heckert den Lengroah an.

Rrhegar schaute den Menschen offensichtlich erstaunt an. "Du bist noch dreister als ich dachte. Schade, dass sich auf der Station keine Raumanzüge mehr befinden, dann hätten wir dort einfach hingehen können. Sämtliche Anzüge und einen Großteil der auf der Station verbliebenen Ausrüstung, die wir hier gefunden hatten, wurden auf Argos Befehl hin verkauft."

Du hast vielleicht keinen Anzug, ich aber schon. Sobald die Notbeleuchtung steht, muss ich nur noch eine tragbare Lichtquelle finden und bin dann weg von diesem verfluchten Asteroiden! Pech für dich, Kätzchen. "Ich kann bei dem schwachen Licht deines Kommunikators sowieso fast nichts erkennen. Ich denke, ich werde einfach solange hier bleiben, bis du die Energieversorgung wieder eingerichtet hast und zurückkommst."

Mit einem Platzen verabschiedete sich der dritte Verriegelungsbolzen und flüssiges Metall tropfte nach unten. Rrhegar drückte die Tür vorsichtig auf. "In Ordnung. Du wirst allerdings etwas warten müssen, da die Notakkus drei Etagen unter uns sind. Ich werde die Treppe nehmen müssen, was bei der fehlenden Schwerkraft nicht ganz leicht wird. Ich mache mich dann jetzt auf den Weg." Der Lengroah steckte den Schweißlaser ein, ging fort und ließ Heckert in vollkommener Dunkelheit stehen.

Mach Du nur. Heckert wartete erst einmal auf die Notbeleuchtung. Nach einer Zeit, die endlos zu sein schien, aktivierte sich mit einem tiefen Brummen die rote Notbeleuchtung, und die Ebene wurde schwach aber ausreichend beleuchtet. Gleichzeitig fühlte er sich wieder leicht nach unten gezogen, ein sicheres Zeichen dafür, dass auf sehr niedrigem Niveau auch die künstliche Schwerkraft aktiviert worden war. Jetzt geht es los. Hektisch suchte er die umliegenden Räume nach einer Taschenlampe oder Handleuchte ab. An einem Gangende fand er schließlich einen noch nicht vollständig geplünderten Notfallkasten, der tatsächlich noch eine Handleuchte beinhaltete, deren Batterie zu drei Viertel verbraucht war. Das muss reichen. Heckert stürmte springend durch die Gänge zum Steigschacht, öffnete dessen Sicherheitstür, schlüpfte hindurch und schloss die Tür wieder.

Sein Timing hätte nicht besser sein können. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, hörte er den Lengroah seinen Namen rufen, als dieser wieder die Treppen hochkam. Dabei fiel Heckert etwas wie Schuppen von den Augen. Natürlich, die Treppen! Ich hatte das Treppenhaus nicht überwacht, als ich die junge Frau gefangen nehmen wollte! Von dort muss er gekommen sein! Ich Idiot!

Aber Heckert durfte keine Zeit verlieren. Er sprang mit Leichtigkeit bis zur obersten Etage, öffnete die Sicherheitstür und sprang aus dem Steigschacht. Ich muss schnell sein, denn wenn der verdammte Schnurrer erst einmal spitzbekommen hat, dass ich weg bin, wird er ebenfalls in die oberste Ebene kommen, um mich zu suchen. Er legte so schnell er konnte die Strecke zu dem Raum zurück, wo er seine Ausrüstung versteckt hatte. Mit einem großen Sprung durchquerte er die Halle bis zum Erzzerkleinerer und zog sich bis zu der Stelle, wo er den Raumanzug und die restliche Ausrüstung versteckt hatte. Doch das Versteck war leer! O nein... bitte nicht! Sogar die portable Energiezelle war aus der Schleuse entfernt worden. Erst jetzt entdeckte Heckert die zusätzlichen Spuren auf dem Boden der Halle. Das war's - Ich bin verloren und erledigt. Apathisch ließ er sich von der Gravitation langsam nach unten ziehen, setzte sich hin und starrte auf den Boden. Das Licht seiner Handleuchte wurde schwächer, als die Batterie fast vollständig verbraucht war.

VI

"Heckerrt, was machst du nurr - Ich sagte doch, dass hierr keine Rraumanzüge mehrr sind," unterbrach Rrhegar mit freundlich tadelnder Stimme die Trübsal Heckerts. Dieser zuckte vor Schreck zusammen, als er die Stimme des Lengroah wenige Meter über sich vernahm. Rrhegar hatte sich an ihn herangeschlichen, stand nun auf dem Trichterrand des Erzzerkleinerers und blickte auf den Menschen hinab.

Vermutlich wird er mich jetzt umbringen. Wenigstens ist es kein Tod auf Raten, wie das Krepieren in einer Kolonie mit funktionsuntüchtiger Lebenserhaltung. "Du hast es gewusst, oder?"

Der Lengroah ließ sich langsam nach unten ziehen und aktivierte seine Handleuchte, die daraufhin hell aufstrahlte. "Natürlich. Kurz nachdem ich dich gefangen nahm, haben alle danach gesucht, wie du eingedrungen bist. Und da du eine so schöne Spur von geöffneten und aufgebrochenen Schotts hinterlassen hattest, war das Auffinden dieses Verstecks auch nicht sonderlich schwer."

Heckert schaute den Lengroah an und versuchte herauszufinden, was dieser vorhatte. "Du hast mir eine Falle gestellt, und ich bin erbärmlich darauf hereingefallen. Was willst du jetzt?"

"Es war keine Falle - es war nur ein Test, um deine Ehrlichkeit herauszufinden. Und da heißt es, unsere Rasse sei hinterhältig und betrügerisch!" Rrhegar zwinkerte wieder mit seinen Augen, bedachte aber dann Heckert mit seinem durchdringenden Blick. "Ich will immer noch das gleiche wie du, Heckert - ich will hier lebend heraus! Und dein Schiff ist dafür unsere einzige Möglichkeit. Wir hatten eine Abmachung. Jetzt frage ich dich: Gilt diese Abmachung noch?"

Heckert sah ihn ungläubig an: "Du willst mich als dein Feind nicht für diesen Verrat töten?"

"Tot nützt Du mir nichts. Ich brauche dich, egal ob Feind oder nicht. Wir müssen dein Schiff, die STERNENTÄNZERIN, kontaktieren, damit wir hier wegkommen. Keine Bange, ich werde mich als kleine Bestrafung schon zur richtigen Zeit angemessen an dir rächen," sagte Rrhegar, und zum ersten Mal konnte Heckert für einen kurzen Moment die elfenbeinfarbigen Fangzähne des Lengroah aufblitzen sehen, auch wenn in dessen Stimme jegliche Spur von Groll fehlte. "Gilt nun unsere Abmachung noch oder nicht?"

Einen Schnurrer auszutricksen ist wie dem Papst Latein beizubringen. Ich hätte es besser wissen sollen. Momentan verhält er sich kooperativ, weil er mich braucht, aber was ist, wenn er erst auf meinem Schiff ist? Vielleicht sollte ich ihm trotzdem eine Chance geben... "Ich habe mit dir abgemacht, dass ich dich auf der STERNENTÄNZERIN mitnehme. Jetzt verspreche ich es dir. Lasst uns zur Kommunikationszentrale der Station gehen, damit ich Grace kontaktieren kann."

"Wer ist Grace? Ich dachte, auf dem Schiff wäre sonst keine Person?"

"Grace ist mein Agentensystem. Sie hat momentan die Kontrolle über die Steuerfunktionen des Schiffes und wartet auf ein Signal von mir."

"Aha. Nun gut, lass uns gehen. Es wird langsam kalt hierdrin, und die Akkumulatoren halten nicht ewig." Gemeinsam verließen sie die Maschinenhalle in Richtung Kommandozentrale. Dort angekommen, aktivierte Heckert den Funkkommunikator auf einer bestimmten Frequenz.

"Hallo, Grace? Bist du noch da? Ich bin's, Patrick. Hör zu: Die Datenräuber haben mich gefangen genommen, sind aber inzwischen von der Station geflohen und haben mich zurückgelassen. Dank der Hilfe eines ganz speziellen Freundes, der ebenfalls zurückgelassen wurde, konnte ich aus der Zelle entfliehen. Kannst du mich abholen?" fragte Heckert. Der Empfang blieb stumm.

Rrhegars Schwanzspitze fing an, unregelmäßig hin und her zu wippen. "Warum meldet sich das System nicht? Hat die Bande das Schiff etwa doch entdeckt?"

"Abwarten. Ich hatte mit Grace vereinbart, dass sie selbst zu entscheiden hat, wie sie bei einer Kontaktaufnahme außerhalb des Zeitfensters reagieren soll. Es kann durchaus dauern, bis sie davon überzeugt ist, dass dies keine Falle ist." Heckert wandte sich wieder dem Mikrofon zu, welches die ganze Zeit aktiviert war: "Grace, bist du noch dran? Hör zu, wenn du eine Entscheidung triffst, dann mach es bitte schnell, da die Lebenserhaltung der Kolonie zusehends zusammenbricht. Der Reaktor ist abgeschaltet, wir haben nur noch für ein paar Stunden Energie. Wir haben keine Raumanzüge und können daher nicht zu dir kommen. Bitte beeil dich!"

Der Lengroah fing an, maunzend zu stöhnen. "Na prima! Dann entscheidet jetzt also ein Computerprogramm, ob wir überleben dürfen oder nicht! Kún, drukhrár dshánae rér trégorr lárrh!"

Endlich kam eine Antwort aus den Lautsprechern: "Grace hier. Schön, von dir zu hören, Patrick. Sag deinem neuen Freund, er soll sich mit seinem Urteil noch etwas gedulden. Es gibt nur ein Problem: Die abziehenden Datenräuber haben sämtliche Andockschürzen untauglich gemacht, lediglich im Hangar könnte ich landen. Von dem lassen sich aber die Tore nicht mehr schließen. Ihr werdet euch ein Stück durch Vakuum bewegen müssen, um an Bord zu kommen."

"Das schaffen wir niemals, der Weg vom Schott bis zur Landebucht im Hangar ist mindestens zehn Meter lang. Kann sie uns keine Raumanzüge durch eine der funktionsfähigen Außenschleusen hineinbringen?", fragte Rrhegar Heckert.

"Nein, Grace besitzt leider kein mobiles Außenmodul. Aber ich habe eine Idee: Hier in der Konstruktion befindet sich so viel Luft, dass eine Dekompression durch den Hangar sicherlich mehrere Minuten dauern würde, wenn wir die wichtigsten Schleusen offen stehen lassen. Wir werden zwar reichlich nach Luft schnappen müssen, aber wir werden es eher überleben als wenn wir durch Vakuum laufen müssen."

"WAS? Das kann nicht dein Ernst sein! Der Dekompressionswind wird uns einfach aus dem Hangar pusten, ohne dass wir kontrolliert das Schiff betreten könnten. Besitzt die STERNENTÄNZERIN denn keine eigene Andockschürze, mit der sie sich an eine der Außenschleusen andocken kann?"

"Das Ding ist leider immer noch defekt, rate mal warum mein Schiff im Wartungsdock stand, als deine Leute es ausgeplündert haben. Es bleibt unsere einzige Möglichkeit. Wir können uns anseilen, damit wir während der Dekompression kontrolliert zur STERNENTÄNZERIN kommen können."

"Mir gefällt der Plan immer noch nicht. Wir werden alleine Minuten brauchen, um im Hangar das Sicherheitsschott zu öffnen. Bis dahin wird der Druckausgleich längst abgeschlossen sein."

Grace meldete sich über die Lautsprecher: "Ich könnte vom Hangar aus das Schott mit Leichtigkeit zerschießen. Das geht in Sekundenbruchteilen."

Heckert und Rrhegar schauten sich an: "Der Plan ist wahnsinnig und äußerst riskant, das weißt du doch, oder?", fragte der Lengroah.

"Ja, aber es ist unsere einzige Chance. Oder hast du einen besseren Plan?"

Rrhegar dachte intensiv nach. "Ich wünschte, ich hätte einen," antwortete er zögernd und unwillig.

"Also machen wir es so. Ist dein Armbandkommunikator stark genug, als dass wir ihn zur Kommunikation benutzen können, sobald Grace das Schiff in den Hangar gesteuert hat?"

"Auf jeden Fall. Ich werde dann einmal in den Werkstätten und Lagerhallen Ausschau halten, ob ich ein Seil und ein paar Verankerungshaken finden kann. Wir werden außerdem eine Seilpistole benötigen, um das Kabel an der STERNENTÄNZERIN festmachen zu können. Mit der Energiezelle des Laserschweißers sollten wir sie nutzen können. Währenddessen machst du so viele Schotts wie möglich auf, das kannst du als Mensch besser als ich. Dabei fällt mir ein, ich muss noch etwas anderes holen, es wird nicht lange dauern. Bis gleich!" Rrhegar verließ die Kommunikationszentrale.

"Grace, du machst dich jetzt bitte auf den Weg und landest im Hangar. Ich erlaube dir hiermit, auf die Schiffswaffen zugreifen zu dürfen. Wir kontaktieren dich dann über den Armbandkommunikator des Lengroah. Und noch eine Sache: Wenn wir das schaffen sollten und an Bord sind, dann wirf doch bitte immer ein wachsames Auge auf diesen Schnurrer Rhegar, ja?"

"In Ordnung, Patrick. Ich mache mich dann jetzt auf den Weg."

Dann hörte Heckert noch einmal den Lengroah, der wohl das Gespräch belauscht hatte, aus dem Gang in einiger Entfernung mürrisch rufen: "Rrhegar - ich heiße Rrhegar."

VII

Etwa zwei Stunden später trafen sich Rrhegar und Heckert, der inzwischen sämtliche Schleusen und Sicherheitstüren der größeren Hallen in den oberen Ebenen aufgemacht und blockiert hatte, im Verbindungsgang zum Hangar. Der Lengroah hatte es tatsächlich geschafft, die benötigten Gegenstände in der stillgelegten und geplünderten Kolonie auftreiben zu können und trug zwei selbstversenkende Befestigungshaken sowie einen armbrustähnlichen Gegenstand mit sich. Ein fingerdickes, stabil aussehendes und mindestens 30 Meter langes Seil hatte er zusätzlich um seine Schulter gehängt. Sogar zwei Gürtel zum Befestigen an das Seil hatte er auftreiben können. Heckert betrachtete die Ausbeute. "Eine hübsche Kletterausrüstung hast du ja zusammengesucht. Aber was soll die Armbrust?"

"Ich habe keine Seilpistole gefunden, also müssen wir anders versuchen, den zweiten Haken an der STERNENTÄNZERIN festzumachen. Diese Seilarmbrust funktioniert genauso gut, sie muss nur manuell gespannt werden. Kannst du mit so etwas umgehen?"

Heckert nahm einen der Befestigungshaken und schaute ihn sich an: "Ich denke schon. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sich diese Haken an der gepanzerten Außenhülle festkrallen können."

"Vielleicht klappt es, wenn du die Innenwand der Schleuse triffst. Machen wir also den einen Haken hier, etwa 10 Meter vom Schott entfernt, fest." Rhegar nahm den zweiten Haken und trieb ihn in die Wand, wobei der Haken mit einem metallisch klingenden Schaben seine Widerhaken in die Wand grub. Der Lengroah befestigte das Seil am Haken und zog daran mit aller Stärke, um die Festigkeit zu testen. "Es sieht so aus, als ob die Gangverschalung stabil genug ist und der Haken nicht herausreißt."

"Gut, machen wir uns am Seil fest. Sobald Grace die Schleuse zerschossen hat, lassen wir uns mit Hilfe der Dekompression durch die Schleuse in den Hangar ziehen. Dann nutze ich die Seilarmbrust, und sobald der zweite Haken eingeschlagen ist, wird er das Seil von alleine straffen und wir können in die Schleuse des Schiffes klettern. Richtig?"

"Genau. Denk aber bitte beim Zielen an den Sog!" warnte ihn Rrhegar. Beide machten sich am Seil fest. "Bereit?"

Heckert atmete tief durch. "Ich bin bereit. Kontaktiere jetzt Grace."

Rrhegar aktivierte seinen Armbandkommunikator. "Grace? Wir sind jetzt so weit. Von deiner Seite alles bereit?"

"Grace hier. Die Schiffsgeschütze sind feuerbereit. Und viel Glück!" tönte es aus dem Kommunikator.

"Danke - wir werden es brauchen," seufzte Rrhegar. "Ich zähle auf drei. Eins - zwei - drei!"

Ein ohrenbetäubendes Dröhnen ertönte, als die schweren Geschosse der Bordkanone das Sicherheitsschott in Stücke rissen. Spitze Splitter und Fragmente des Schotts flogen durch die Luft, bis mit einem Knall der Druckausgleich begann, der die Trümmer zurück in den Hangar blies. Heckert und Rrhegar wurden ebenfalls durch den Gang in den Hangar gezogen und hingen am Seil fest, welches an den scharfkantigen Resten des Schotts gefährlich hin und her schabte. Heckert zielte sorgfältig knapp unter die Schleuse des Schiffes. Jetzt oder nie. Er drückte ab, und der Haken verankerte sich direkt in dem manuellen Kontrollfeld im Inneren der Schleuse. Na prächtig, schon wieder ein teures Teil kaputt. Ob das halten wird? Das Seil spannte sich, und der Haken rutschte wieder etwas heraus, bevor er sich endgültig zu verankern schien. Heckert versuchte vergeblich, dem Lengroah eine Warnung zuzuschreien, doch der starke Dekompressionswind raubte ihm den Atem. Der Druck auf seinen Ohren schien unerträglich. Heckert ließ die Armbrust los, welche sofort ins All hinausgezogen wurde, und kletterte am Seil entlang Richtung Schleuse der STERNENTÄNZERIN, dicht gefolgt vom Lengroah.

Kaum hatte es Heckert geschafft, bis in die Schleuse zu klettern und sich dort an einer Haltestange festzuhalten, riss das Seil an der scharfen Kante des Schotts entzwei. Durch die Dekompression nach oben in Richtung der offenen Hangartore mitgerissen, schlug Rrhegar hart an der Außenhülle des Schiffes auf. Heckert konnte sehen, wie aus der Nase des Lengroahs Blut tropfte, und verwundert stellte er fest, dass auch seine eigene Nase blutete. Der Lengroah schien vom Aufschlag kurz benommen zu sein, kletterte dann jedoch vom Aufprall scheinbar unbeeindruckt und mit weit zurückgeklappten Ohren weiter hinunter, der rettenden Schleuse entgegen.

Als er es beinahe geschafft hatte, riss plötzlich der Befestigungshaken aus dem Kontrollfeld endgültig heraus und nahm dabei mehrere elektronische Komponenten mit sich. Rrhegar versuchte verzweifelt, an der Decke der Schleuse Halt zu finden. Seine Krallen der linken Hand zogen tiefe Furchen in die Deckenverkleidung und zerschnitten mit Leichtigkeit die Dichtung der Schleuse. Schließlich fanden sie an einer Kante Halt, an der sich der Lengroah festkrallen konnte. In seiner Todesangst schrie er Heckert etwas zu, sein Gebiss voll entblößt. Heckert konnte sehen, wie die mächtigen Fußkrallen des Lengroah aus den Schlitzen an den Stiefeln hervorkamen und beim Versuch, sich irgendwie festhalten zu können, tiefe Furchen in den Stahl der Außenhülle des Schiffes hinterließen. Heckert jedoch stand wie benommen da.

Das ist die Gelegenheit - der Schnurrer ist mir hilflos ausgeliefert. Er wird sterben, wenn ich ihm jetzt nicht helfe. Ich sollte ihn fortstoßen, dann kann er mir keine Probleme mehr bereiten. Aber... will ich ihn wirklich töten? Er hat mir geholfen... - Ich würde mein Versprechen brechen! Verdammt soll ich sein, ich HASSE meine Prinzipien! Heckert zog sich hinauf, um die Hand des Lengroah zu ergreifen - und schrie vor Schmerz laut auf, als der Lengroah seine Hand packte und in seiner Panik seine Krallen tief in das rechte Handgelenk des Menschen bohrte. Jetzt reißt er mich doch noch in Stücke! Heckert ließ vor Schreck los, aber die Krallen hatten sich bereits zu tief ins Gelenk gebohrt und waren dort so fest verankert, dass die beiden durch den Sog der Dekompression nicht mehr getrennt werden konnten. Mit all seiner noch verbliebenen Kraft zog Heckert den Lengroah in die Schleuse. Vom Druckausgleich betäubt, erschöpft und von den Schmerzen übermannt, hielt er sich krampfhaft mit der linken Hand an der Haltestange fest. Er kämpfte darum, nicht sein Bewusstsein zu verlieren.

Rrhegar ergriff ebenfalls die Haltestange und zog mit der freien Hand die Außentür zu. Scheinbar selbständig verriegelte diese sich danach, und angenehme, atembare Luft strömte in den Innenraum. Halb taub durch das Getöse und den Druckausgleich im Hangar, konnten beide nur noch so eben verstehen, was durch die Lautsprecher ertönte: "Grace hier. Ihr müsst, sobald die Innentür offen ist, so schnell wie möglich hindurch! Die Außentür der Schleuse ist undicht!" Als sich die Innentür öffnete, zog Rrhegar, selber am Ende seiner Kräfte, den halb bewusstlosen Heckert mit letzter Kraft aus der Schleuse. "Wir sind drin," flüsterte er, als er sich ebenfalls erschöpft auf den Boden fallen ließ. Das Agentensystem verschloss wieder die Innentür der Schleuse. Rrhegar betrachtete matt seine rechte Hand und schaute verwundert auf seine blutverschmierten Krallen. Erst dann bemerkte er die stark blutende Wunde an Heckerts Handgelenk, die er, Rrhegar, geschlagen hatte.

VIII

Die STERNENTÄNZERIN hatte inzwischen den Asteroiden verlassen und beschleunigte, gesteuert vom Agentensystem, in Richtung Absprungpunkt. Währenddessen verband Rrhegar Heckerts rechtes Handgelenk, wobei sich dieser nun bereits zum achten Mal für die Verletzung entschuldigte. Heckert erwehrte sich seiner Leidbekundungen und Freundlichkeit so gut er konnte.

"Es reicht, ist ja schon gut! Wir werden bei einer Kolonie in der Nähe einen Halt machen, damit ich die Hand behandeln und das undichte Außenschott reparieren lassen kann. Ertränke mich bloß nicht noch mehr mit deinen Freundlichkeiten, sonst werde ich noch sentimental! Du schnurrst ja so stark, dass man dich kaum noch versteht!"

Rrhegar seufzte, aber mehr aus Erleichterung über die geglückte Flucht als aus Enttäuschung, im Ton wieder unfreundlicher werden zu müssen. "Na gut. Wenn du willst, kannst du mich Dshakuhn nennen. Halt jetzt bitte still!" In Ermangelung einer Schere schnitt er die Fäden des Verbandssprays kurzerhand mit seiner scharfen Klaue ab.

"Dshakuhn - Ist das Dein Vorname?"

"Nein, mein Nachname. Die Vornamen werden in unserer Kultur für die formelle Anrede benutzt."

"Ach so... Nenn mich Patrick, wenn Du willst."

"Außerdem ist dieser Teil meines Namens für Dich leichter auszusprechen," fügte er augenzwinkernd hinzu, als er das Verbandsspray einpackte und seine Kralle vom klebrigen Verbandsmittel säuberte. Dabei schnitt er versehendlich in das Reinigungstuch.

"Wie kommt es eigentlich, dass deine Krallen so spitz und dazu so verdammt scharf sind? Und vor allem, dass du damit den Titanstahl der Außenhülle zerkratzen konntest?" fragte Heckert.

"Es ist ein sehr wichtiges Schönheitsideal in unserem Volk, formschöne und starke Krallen zu haben. Daher feilen und spitzen wir sie, bis sie eine perfekte Form annehmen. Anschließend werden die Krallen mit härtenden Tinkturen behandelt, die außerdem eine extrem kratzfeste Beschichtung hinterlassen. Einfach ausgedrückt, meine Krallenspitzen sind diamantbeschichtet. Damit bleiben sie schön scharf und spitz."

Eine scharfe Sache im wahrsten Sinne des Wortes. Heckert überlegte, wie der Ausflug auf dem Asteroiden wohl ohne Rrhegar Dshakuhn ausgefallen wäre. Wahrscheinlich hätten sie mich trotzdem erwischt, und ich wäre jetzt tot. Jetzt habe ich zumindest noch die Gelegenheit, sie weiter zu verfolgen. Ich frage mich nur, was ich mit dem Schnurrer machen soll. Der nächste Raumhafen schien eine gute Gelegenheit zu sein, sich vom Lengroah trennen zu können. Heckert wusste immer noch nicht, ob er diesem katzenartigen Wesen trauen konnte, dessen Rasse so berüchtigt für ihre Hinterschlagenheit und vorgetäuschte Höflichkeit war.

"Ich hatte Recht." sagte Heckert gedankenverloren, eigentlich mehr zu sich selbst.

Rrhegar spitzte seine Ohren. "Womit?"

Heckert betrachtete seine verbundene Hand. "Ihr Schnurrer seid selbst dann freundlich, wenn ihr jemanden in Stücke reißt."

ENDE

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Verfasser: Peter Hildebrand
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